Zusammenfassung
Die Zahl der geburtsassoziierten mütterlichen und kindlichen Todesfälle hat heute
in Deutschland einen historischen Tiefststand erreicht. Dennoch hat die Zahl der aus
Geburtskomplikationen herrührenden Schadensersatzklagen kontinuierlich zugenommen.
Es werden Gründe analysiert, die dieses auf den ersten Blick paradoxe Phänomen erklären
können. Der derzeitige Stand der Rechtsprechung zum Geburtsschadenrecht wird in den
Grundzügen dargestellt. Es wird das rechtliche Instrumentarium vorgestellt, dessen
sich die Gerichte bei der Entscheidung über Geburtsschadenfälle bedienen. Das Zusammenspiel
der Haftungsgründe wird anhand 5 häufiger vorkommender kritischer geburtshilflicher
Situationen (intrauterine Asphyxie, vorzeitiger Blasensprung, Frühgeburtsgefahr, intrauterine
Wachstumsreduktion, Geburt eines deprimierten Kindes) aufgezeigt. Aus der Analyse
gerichtlicher Entscheidungen zu den Haftungsfragen, die aus einem objektiven Fehlschlag
des geburtshilflichen Managements in kritischen Situationen resultieren, lassen sich
4 generell geltende Erfahrungsregeln ableiten, deren Beachtung die Zahl von Patientenklagen
deutlich senken könnte. Die Funktion der zivilrechtlichen Rechtsprechung als einer
notwendigen Kontrollinstanz wird positiv gewürdigt.
Abstract
The number of maternal and child deaths associated with delivery in Germany has reached
a historically low level. Even so, the number of claims for damages arising from birth
complications is continuously increasing. The reasons for this apparent paradox are
analysed in the present contribution. Basic principles of the present situation concerning
legal precedents with regard to birth damages are illustrated. The legal instrumentarium
which the courts use to reach their decisions is presented. The interactions of the
reasons for liability are demonstrated for the five most frequently occurring critical
obstetric situations (intrauterine asphyxia, premature amniorrhexis, danger of premature
birth, intrauterine growth retardation, birth of a depressed child).From an analysis
of court decisions on liability questions that result from an objective failure of
obstetric management in critical situations, four general empirical rules can be derived
and observation of these rules could markedly reduce the number of patient claims.
The function of civil court rulings as a necessary control instance is positively
accepted.
Schlüsselwörter
Zunahme der zivilrechtlichen Klagen in Geburtsschadensfällen - Paradigmenwechsel in
der Geburtshilfe - Haftungsgründe - Behandlungsfehler - Aufklärungsfehler - Management
kritischer Situationen
Keywords
increase of civil claims for birth damages - paradigm change in obstetrics - grounds
for liability - treatment errors - errors of information - management of critical
situations